Sprache und Zukunft
Tempora mutantur, nos et mutamur in illis: Sprachwandel | Christiane Hohenstein
Thema c Von Doppelnennung bis Gender-Stern: Das Repertoire des Genderns
Aufgabe 1 | Geschlechterstereotype: Kipp-Experiment [10']
Sie haben den paradoxen Zusammenhang von Genusobligatorium im Deutschen und dem sog. generischen Maskulinum kennengelernt. Noch immer wird häufig die These vertreten, dass in der männlichen Bezeichnung für Personen, Positionen oder Berufe die Frauen mitgemeint seien. Dass dies nicht zutrifft, lässt sich gerade an Aussagen über sog. „frauentypische“ Berufe (z.B. Grundschullehrer:in, Erzieher:in) vs. sog. „männertypische“ Berufe (z.B. Professor:in, Wissenschaftler:in) zeigen. Wann kippt ein scheinbar generisches Maskulinum ins reine Maskulinum?
Lesen Sie den Auszug aus einem anonymen Kommentar zu dem Artikel unter:
https://www.studis-online.de/Studieren/art-2332-frauen-in-der-wissenschaft.php [30.07.2021]
«Diese politisch bestimmte Unattraktivität [von Professuren] dämmert den meisten Nachwuchsforschern erst, wenn sie nach dem Master auf einer Promotionsstelle sitzen und mitbekommen, wie der Alltag und speziell Berufungen verlaufen. Ich war selber mal als Student Mitglied einer Kommission für eine W2-Stelle im Bereich Grundschullehramt. Ca. 90% Frauen unter den Studenten und Grundschullehrern, aber keine einzige Frau unter den Bewerbern. Wegen des massiven Drucks der Uni-Leitung, die Stelle mit einer Frau zu besetzen, wurde überlegt, "gestandene" Grundschullehrerinnen anzusprechen, sich zu bewerben. Das wurde als aussichtslos angesehen, wegen 50% mehr Bruttogehalt (vor Steuern) macht man sich keinen Dauerstress mit 50-Stundenwoche, ständigen Evaluierungen, Kampf um Mittel für Tutoren usw. Eine Beamtenstelle als Grundschullehrer ist schlicht attraktiver als eine W2-Stelle, wenn man nicht gerade in die Wissenschaft als solche verliebt ist.»
Aufgabe 2 | Generisches Maskulinum: Paradoxe Formulierungen [10']
Sie haben sich nun mit verschiedenen Formen des gendergerechten Formulierens und deren Tücken auseinandergesetzt. Wie schwer dem Sog des sog. generischen Maskulinums zu entkommen ist, zeigt der folgende Auszug aus einem Werbetext für einen experimentellen Roman von Anna Stern (2020). das alles hier, jetzt. Roman. Zürich: Elster & Salis.
«In jeweils kurzen Fragmenten des Jetzt und der Vergangenheit kontrastiert Anna Stern die trauernden Freunde mit der schillernden Welt der guten Erinnerungen, die durch geschlechtsneutrale, unbekannte Vornamen immer auch leicht entrückt wirkt. Im zweiten Teil des Romans, der linear erzählt wird und der Bewegung entsprechend Tempo aufnimmt, entdeckt der Leser eine bisher unbekannte erzählerische Seite von Anna Stern.»
https://www.perlentaucher.de/buch/anna-stern/das-alles-hier-jetzt.html [05.05.2022]
Aufgabe 3 | Mitgemeint: Wann geht das? [10']
Nachdem in den Aufgaben 1 und 2 die Irritationen deutlich wurden, die Genusobligatorium und der Sog des sog. generischen Maskulinums auslösen können, stellen wir hier die Gegenfrage: Wann geht es, ein Nomen im Maskulinum zu verwenden und doch auch Frauen mitzumeinen? Lesen Sie das folgende Beispiel und überlegen Sie, wo und warum es in diesem Text tolerierbar sein könnte.
«Zahlen dazu [Frauen in Führungspositionen in Hochschulen] liefert das Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung (CEWS), angesiedelt beim Leibniz Institut für Sozialwissenschaften. Danach betrug der Anteil der Frauen an den höchst dotierten Professuren (Besoldungsgruppen W3/C4) 2016 gerade einmal 19,4 Prozent, deutlich unter dem EU-Mittel (23,6 Prozent) und weit hinter dem Spitzenreiter Litauen mit fast 40 Prozent. Von den „einfachen“ Professuren (W1/W2) war 2018 nur eine von vier von Frauen besetzt. Auch werden Hochschulen nur zu unter 25 Prozent von Rektorinnen und Präsidentinnen angeführt, während der Frauenanteil in den Hochschulleitungen (Prorektoren, Vizepräsidenten, Kanzler) bei knapp 29 Prozent liegt.»
Auszug aus: studis-online.de (2020). Forschung fest in Männerhand. Frauen in der Wissenschaft. Veröffentlicht 11.02.2020.
https://www.studis-online.de/Studieren/art-2332-frauen-in-der-wissenschaft.php [30.07.2021]