Die Praxis in Sprachberufen untersuchen
Herausfinden, was der Fall ist: Fallstudien wählen | Prof. Dr. Daniel Perrin
Thema b Authentizität: Aktuelle Phänomene in realen Kontexten erfassen
Aufgabe 1 | Kontext: Wie weit ein Fall reicht [20']
„Oder liegt der Grund für den Erfolg ganz wo anders?“ So endet der vorangehende Abschnitt, zum Besonderen eines Falls. Und der neue Abschnitt fragt: „Wo genau hört das Phänomen auf und wo beginnt der Kontext?” – Wie müssten Sie vorgehen, um als Forscher*in diese Frage beantworten zu können, zum Beispiel im Fall Biomed?
Überlegen Sie zuerst, was der englische, mehrdeutige Begriff des Case deutlicher zum Ausdruck bringt als der deutsche Begriff des Falls. Tauchen sie dazu kurz in die Etymologie, in die Herkunft dieser beiden Wörter ein. Google hilft. Dann führen Sie sich noch einmal alles vor Augen, was Sie schon wissen zum Fall Biomed, und überlegen, welchen Grund für den Erfolg der Kommunikation von Biomed Sie nicht erfassen könnten, wenn Sie nur untersuchen, was die Kommunikationsabteilung des Unternehmens tut.
Ein Case ist auch eine Box, ein Etui, ein Behälter. Wer zu stark nur den Fall anschaut und nicht den Kontext, bleibt innerhalb dieser Box und kann übersehen, was von außen auf den Fall eingewirkt hat.
Zum Beispiel könnte Biomed vor allem in globalen Märkten tätig sein, die sowieso für alle boomen. Das sind externe Einwirkungen, die wenig mit der Qualität der Kommunikation zu tun haben.
Aufgabe 2 | Reale Welt: Was die Fallstudie leisten soll [10']
Wählen Sie im folgenden Text den Begriff aus, der in die Lücke gehört. Begründen Sie Ihre Wahl im Vergleich zu den nicht gewählten Begriffen.
Fallstudien untersuchen also ein [______1] in der realen Welt systematisch – eben etwa die Praktiken des Dolmetschens in den Medien oder die Schlüsselfaktoren erfolgreicher Kommunikation in Unternehmen. Reale Welt bedeutet dabei, dass die Forschenden [______2] mit einbeziehen, in dem das Untersuchte geschieht, und systematisch meint, dass sie bestehende [______3] mit einbeziehen. Beim Arbeiten mit Fallstudien wird deutlich, dass beides viel Augenmaß braucht: Wo genau hört das Phänomen auf und wo beginnt der Kontext? Wo hilft mir vorhandene Theorie und wo verstellt sie mir den Blick aufs [______4]?
Lücke 1
- wirkliches Beispiel
- fiktives Phänomen
- wirkliches Phänomen
- fiktives Problem
Lücke 2
- den Kontext
- das Untersuchungsfeld
- den Experimentierrahmen
- das Theoriekonstrukt
Lücke 3
- Voreingenommenheit
- Ansichten
- Fälle
- Theorie
Lücke 4
- theoretisch Relevante
- Übliche, Bekannte
- Unerwartete, Neue
- Wesentliche
Diese Varianten treffen zu, und zwar aus folgendem Grund:
- 1c Fallstudien untersuchen, was Sache ist – also ein Phänomen, einen Sachverhalt in der wirklichen Welt.
- 2a Was da gerade abläuft am untersuchten Ort, kann nur verstehen, wer den Kontext mit einbezieht. Auch die Untersuchten selbst handeln ja in diesem Kontext.
- 3d Um das Rad nicht neu erfinden zu müssen, empfiehlt es sich, vor der eigenen Untersuchung zu überblicken, was andere im Feld schon herausgefunden haben.
- 4c Allerdings kann solches Vorwissen auch blind machen für grundsätzlich Neues – das dann einfach übersehen wird, weil es in keine der bisherigen Schubladen passt.
Aufgabe 3 | Kontext: Illusions-Experiment [10']
“Ausgehend von Forschungsgegenstand und Fragestellung bestimmen die Forschenden, welche Methoden am besten geeignet sind, um den Realitätsausschnitt, den sie vertieft unter die Lupe nehmen wollen, zu untersuchen – aus unterschiedlichen, einander ergänzenden Perspektiven.” – Welche Methode(n) wählen Sie, um die Längen der beiden waagrechten Linien in der Müller-Lyer-Illusion zu vergleichen?
Aufgabe 4 | Kontext: Fall Gestrüpp [20']
Wie viel Kontext braucht es, damit wir ein Phänomen angemessen verstehen können? – Ein Nachrichtenmagazin mit Hang zum Unterhalten hat diese Bildergeschichte veröffentlicht. Erklären Sie an diesem Beispiel, warum das Thema Kontext so wichtig ist für Fallstudien.
Kommen Sie dann noch mal auf den Begriff Case zurück (s. o. Aufgabe 1). Sehen Sie Parallelen zum Begriff der Cadrage, den man verwendet, wenn man vom Ausschnitt eines Bildes spricht, das eine Person oder zentrale Gegenstände darstellt?