Front Stage – Blick auf die Kulissen
Die unsichtbare Hand: Domäne und Sprachgebrauch | Raquel Montero Muñoz
Thema a Varietätenlinguistische Dimensionen und ihre Lekte: Die Sprache in der Sprache
Aufgabe 1 | Lekte: Wann sprechen wir wie? [15']
Wie wir miteinander kommunizieren, hängt von außersprachlichen Faktoren ab. Benennen Sie die Faktoren, die bei den folgenden Kommunikationssituationen gegeben sind (sprachliche und außersprachliche Faktoren, z.B. Alter, Geschlecht, Region, soziale Schicht, Beruf etc.) und welche Funktiolekte mit den in diesen Situationen produzierten Äußerungen untersucht werden könnten.
- Ein männlicher Teenager schreibt einer Klassenkameradin eine Kurznachricht über Whatsapp.
- Eine Großmutter gibt ihrem Enkel Nachhilfe.
- Ein Klavierlehrer unterrichtet eine Frau Mitte dreißig.
- Der Tennisspieler Roger Federer ruft seinen Tenniskollegen, Rafael Nadal über sein privates Mobiltelefon an, um mit ihm über das anstehende Benefizspiel zu sprechen.
- Faktoren:
Alter: Jugendliche
Region: nicht spezifiziert
Soziale Schicht: nicht spezifiziert; Beruf: Schüler, Geschlecht: gemischt
Medium: geschrieben.
Analysierbar für die Varietäten Jugendsprache, Schülersprache (Soziolekt); analysierbar für den Funktiolekt Kurznachrichtenkommunikation (Chat-Sprache), besonders unter Jugendlichen. - Faktoren:
Alter: gemischt Senior und Kind oder jugendliche Person
Region: nicht spezifiziert
Soziale Schicht: nicht spezifiziert, Beruf: nicht spezifiziert und ein Schulkind, Geschlecht: nicht spezifiziert
Medium: gesprochen
Analysierbar für die Varietäten (Groß-)Elternsprache, Familiensprache; analysierbar für den Funktiolekt Unterricht bzw. Nachhilfe. - Faktoren:
Alter: Erwachsene
Region: nicht spezifiziert
Soziale Schicht: nicht spezifiziert; Beruf: Musiklehrer und nicht spezifiziert, Geschlecht: gemischt
Medium: gesprochen.
Analysierbar für die Varietäten Erwachsenensprache und Unterrichtssprache; analysierbar für den Funktiolekt Unterrichtssprache, besonders in der Erwachsenenbildung sowie der Fachsprache von Musiker*innen. - Faktoren:
Alter: Erwachsene
Region: Basel und Mallorca (Spanien)
Soziale Schicht: Oberschicht; Beruf: Sportler, Geschlecht: männlich
Medium: gesprochen.
Analysierbar für die Varietäten Sportsprache, Englisch als Zweitsprache von beiden Sprechern, analysierbar für den Funktiolekt Fachsprache.
Aufgabe 2 | Varietäten: Wie sie sich unterscheiden [10']
Die verschiedenen Varietäten haben spezifische linguistische Merkmale, die es erlauben, diese zu erkennen bzw. voneinander zu unterscheiden. Um welche Varietäten handelt es sich in den folgenden drei Beispielen?
Begründen Sie Ihre Antwort.
- Triglyceride setzen sich aus einem Glycerin und drei Fettsäuren zusammen. Über die am Ende einer jeden Fettsäure befindliche Carboxylgruppe (-COOH) ist die Fettsäure durch eine sogenannte Erstverbindung mit dem Glycerin verbunden.
- A: «Verstehst du Text, Alter?»
B: «Klar Alter, Bruder, ist doch leicht: Typ geht so Wasser und ist tot. Seine Alte is traurig.»
A: «Aber wieso geht er denn Wasser? Hast du Essen?»
B: «Nee, aber ich gehe dann Döner.» - A Bsuach machd zwoimol Freud: Wennr kommd ond wennr widdr gohd.
- Funktiolekt/Fachsprache: charakterisiert durch Fachbegriffe und Verwendung von (chemischen) Zeichen (-COOH).
- Soziolekt/Jugendsprache: charakterisiert durch Nominalphrasen („ich gehe Döner“), die Verwendung von „Alter/Bruder“ als Anredeform, Verwendung spezifischer Ausdrücke, z.B. „Alte“ für „Frau/Freundin/Partnerin“, „so“ als Fokuspartikel.
- Dialekt/Schwäbisch: z.B. auf Lautebene: Standarddeutscher Diphthong [ai] wird zu [oi], Diphthongierung von Standarddeutsch [u] zu [ua]: Bsuach; Laute wie –t werden weich ausgesprochen –d (Lenisierung).
Die verschiedenen Beispiele weisen also besondere lektale Merkmale auf, die sich gezielt auf bestimmte Lekte beziehen lassen (Dialekt, Funktiolekt oder Soziolekt). In der Regel verfügt ein Sprecher jedoch über eine Bandbreite an Lekten, die er oder sie in Abhängigkeit von Kontext, Situation und Adressat*in jeweils anpasst. Die individuelle Sprache eines Menschen mit all seinen charakteristischen Eigenschaften in Bezug auf Wortschatz, Sprachverhalten, Ausdrucksweise, Aussprache, etc. wird mit dem Begriff Idiolekt bezeichnet. Der Begriff stammt ebenfalls vom Griechischen ab (altgriechisch ἴδιος ídios ‚eigentümlich, eigen').
Aufgabe 3 | Dialekt: Schafft Identität [20']
Dialekt ist nicht gleich Dialekt. Lesen Sie das Interview mit Eckard Frahm mit dem Titel „Warum sprechen wir Dialekt?“ und reflektieren Sie über die Bedeutung vom Dialektgebrauch für seine Sprecher und den Dialekt an sich. Beantworten Sie im Anschluss die folgenden Fragen:
- Welche Funktion weist der Autor den Dialekten zu?
- Teilen Sie die Einschätzung Frahms zu den Dialekten in Deutschland? Vergleichen Sie den Dialektgebrauch in der Schweiz mit dem in Deutschland.
- Frahm spricht den Dialekten eine identitätsstiftende Funktion zu, weist auf ihre besondere Glaubwürdigkeit hin und spricht von „zu Hause fühlen“, „Nostalgie“ sowie von einer Art „Wärmestrom“. Der Dialekt verbindet Menschen. Aufgrund der Globalisierung brauchen Menschen den Dialekt, um sich einer Gruppe zugehörig zu fühlen.
- In der Schweiz stellt sich die Situation in Bezug auf den Dialektgebrauch ganz anders dar als in Deutschland. Der Sprachgebrauch in der Deutschschweiz ist geprägt von der Diglossie, d.h. die funktionale und mediale Trennung des Gebrauchs von Dialekt und Standardvarietät. Demnach hängt der Gebrauch des Dialekts in der Schweiz von der kommunikativen Situation (formell/informell) und dem Medium (schriftlich/mündlich) ab und ist, anders als in Deutschland, nicht soziolektal markiert.
Aufgabe 4 | Mundart: Verstehen Sie gesprochenes Schweizerdeutsch? [ca. 15']
Testen Sie Ihre Mundartkenntnisse mit diesem Quiz (Link: https://www.derbund.ch/verstehen-sie-dieses-schweizerdeutsch-105018697056).